Unsere Regierung ist nicht untätig, und der Bundestag auch nicht. So wurde in den „Entwurf zum Achten Gesetz zur Änderung des Bundeszentralregistergestztes“ im Beschlussempfehlung und Bericht vom 19.10.2022 (Drucksache 20/4085) gegenüber dem vorherigen Entwurf vom 28.09.2022 (Drucksache 20/3708) eine Änderung aufgenommen, die intransparent und im Eilverfahren verabschiedet wurde.
Konkret: das Strafgesetzbuch wird nebenbei mit geändert, der §130 (Volksverhetzung) wird um einen Absatz erweitert. Dieser wird vor den bisherigen fünften Absatz eingeschoben uns lautet:
„(5) Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer eine Handlung der in den §§ 6 bis 12 des Völkerstrafgesetzbuches bezeichneten Art gegen eine der in Absatz 1 Nummer 1 bezeichneten Personenmehrheiten oder gegen einen Einzelnen wegen dessen Zugehörigkeit zu einer dieser Personenmehrheiten öffentlich oder in einer Versammlung in einer Weise billigt, leugnet oder gröblich verharmlost, die geeignet ist, zu Hass oder Gewalt gegen eine solche Person oder Personenmehrheit aufzustacheln und den öffentlichen Frieden zu stören.“
Unter „billigen“ und „verharmlosen“ mag sich jeder etwas vorstellen können, aber was genau bezeichnet „leugnen“ eigentlich? Der Duden nennt drei Leitsätze:
- (etwas, was einem zur Last gelegt oder über einen behauptet wird) für nicht zutreffend oder bestehend erklären
- (etwas Offenkundiges wider besseres Wissen) für unwahr oder nicht vorhanden erklären und nicht gelten lassen (meist verneint)
- (etwas, was als Lehre, Weltanschauung o. Ä. oder allgemein anerkannt ist und vertreten wird) für nicht bestehend erklären
In diesem Fall ist Satz (1) wohl eher nicht zutreffend, da es wohl nicht um Dinge gehen soll, die dem gegen §130 (5) StGB Verstoßenden zur Last gelegt wird.
Satz (2) spricht von „Offenkundiges wider besseren Wissens“, heißt also, wer eine abweichende Annahme hat, kann „offenkundiges“ nicht leugnen, sondern nur bestreiten.
Und der letzte Satz (3) sollte für aktuelle Ereignisse auch kaum zutreffend sein, wobei „allgemein anerkannt“ sehr schwammig ist. In einem Rechtsstaat müssten wir davon ausgehen, dass etwas erst dann „allgemein anerkannt“ sein darf, wenn es rechtssicher festgestellt wurde (z.B. Gerichtsurteil, UN-Resolution, …) – eine einfache Darstellung in den Medien, die allgemein geglaubt wird, sollte eher nicht ausreichend sein.
Dann fehlt auch eine klare Festlegung, wann etwas nach dem Völkerstrafrecht Beanstandetes tatsächlich als strafbar feststeht, und damit als Fakt einzustufen ist, den zu leugnen man nun unter Strafe stellt.
Was ist geeignet zu Hass oder Gewalt aufzustacheln und den öffentlichen Frieden zu stören? Reicht es da nicht vielleicht sogar, dass sich bestimmte Mitbürger bzw. Mitmenschen durch abweichende Meinung gestört fühlen?
Unter diesen Betrachtungen muss das neue Gesetz tatsächlich als schwammig verstanden werden, als eine Gesetzeshülse, die letztlich erst von Gerichten mit Leben und Sinn gefüllt wird. Ganz wie man es irgendwann zu irgendeinem Zweck braucht.
In diesem Sinne könnte man nun fragen: ist es strafbar zu „leugnen“, dass der Irak über rollende Chemiewaffenlabore verfügt hatte? Hätte das Gesetz damals schon bestanden, wäre es strafbar gewesen? Heute weiß man, dass diese rollenden Labore nicht existiert haben (zweiter Irak-Krieg).
Weiter könnte man fragen, ob es strafbar wäre zu „leugnen“, dass es im Kosovo Konzentrationslager gab, die letztlich die NATO zu einem Eingreifen „gezwungen“ haben (1999). Heute ist diese These wohl auch widerlegt.
Aktuell ist dieser Absatz wohl am ehesten gegenüber Kritikern der allgemeinen Haltung zum Ukraine-Konflikt anwendbar – vielleicht auch deswegen geschaffen?
Wir alle Wissen: die Wahrheit stirbt im Krieg zuerst. Und auf allen Seiten gibt es Propaganda. Die eine in Russland, die andere in der Ukraine und der sie unterstützenden Länder (wozu die NATO-Staaten gehören).
Was ist, wenn jemand bestreiten würde (mit besserem Wissen oder Nicht-Wissen), dass z.B. Russland ein Atomkraftwerk angreift, das es dieserzeit selbst besetzt? Dieses Bestreiten wäre möglicherweise eben „nicht wider besseren Wissens“, und damit per Definition keine Leugnung, was aber in der Beurteilung außer Acht gelassen werden könnte. Hätte jemand, der diese Frage aufwirft, bzw. Zweifel kund tut, aufgrund dieses Gesetzes etwas zu befürchten?
Dürfen wir nun die „öffentliche Berichterstattung“ nicht mehr hinterfragen, weil wir sonst aus dem Verkehr gezogen werden?
Wem gehört die Wahrheit? Wo darf man noch abweichende Meinungen haben? Wo darf man noch etwas hinterfragen?
George Orwell lässt grüßen. dieBasis steht für eine freie Meinungsäußerung und die Freiheit politische Anschauungen und Berichte in den Medien ungestraft hinterfragen zu dürfen.